3. Juli 2023
Juli 202303

Scheindemokratie im Bundestag

Ich bin ja schon lange davon überzeugt, daß wir in einer Scheindemokratie leben. Die Fassade ist da, aber es ist nichts mehr dahinter. Die, die am lautesten schreien, die Demokratie verteidigen zu wollen, sind die, die sie am meisten entkernen. Die Methoden dazu sind vielfältig und gehen quer durch die Institutionen.

Besonders perfide ist es im Zentrum unserer Demokratie, im Bundestag. Der Umgang dort mit der AfD spricht ja Bände. Eine Spielart der Entdemokratisierung, die die inoffizielle Staatsratsvorsitzende Merkel schon intensiv hat praktizieren lassen, ist, Gesetzestexte erst kurz vor der den Abstimmungen, speziell der dritten, finalen Lesung, im Bundestag an die Abgeordneten zu verteilen. Kurz heißt in diesem Sinne nur wenige Tage, bei manchen Änderungen auch nur wenige Stunden. Die Opposition soll gar keine Möglichkeit haben, die Gesetzestexte vollständig zu lesen und zu erfassen, Fachleute zu befragen, untereinander zu diskutieren, ihre Kritik zu artikulieren, an die Presse weiterzugeben und öffentlichen Druck zu erzeugen. Bevor das geschehen kann, soll die Klappe zugemacht werden. Speziell ist das Verfahren interessant, wenn der Bundesrat nicht zustimmen muß.

Man muß allerdings noch beachten, daß dieses Mittel sich nicht nur gegen die Opposition richtet, sondern natürlich auch gegen die eigenen Abgeordneten. Es soll bei denen, die noch eine Restfähigkeit zu eigenem Denken besitzen, kein Zweifel aufkommen, ob das Gesetz nun richtig ist oder nicht. Das Entscheiden nach freiem Gewissen, wie das Artikel 38 Absatz 1 vorgibt, ist in der heutigen Parteiendiktatur schon lange nicht mehr gewünscht. Parteidisziplin, Fraktionszwang ist das Gebot. Gesetze sind nur noch in den Parteizentralen oder in der EU zu machen!

Nun, jetzt erlebt die CDU gerade am eigenen Leib, was sie selber auch jahrelang praktiziert hat, und ist ziemlich sauer. Verdient, könnte man sagen – so du mir, so ich dir. Ein Abgeordneter der CDU ist jetzt vorgeprescht und beantragt eine Einstweilige Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Terminplan. Das Gericht möge bestimmen, daß die zu beschließende Version mindestens 14 Tage vor der dritten Lesung vorliegen muß. Auch wenn die CDU eigentlich einen Erfolg nicht verdient, hoffe ich doch, daß das Verfassungsgericht entsprechend entscheidet. Mal sehen…